Braucht der Dresdner Arbeitsmarkt keine Bäcker*innen und Lagerist*innen?
Der Sächsische Flüchtlingsrat e. V. (SFR) zweifelt an der Willkommenskultur des Welcome Centers in der Landeshauptstadt Dresden. „Normalerweise sollte das bei der Ausländerbehörde angesiedelte Center vorbildlich integrierte Geflüchtete unterstützen“, sagt Vorstandsmitglied Prof. Dr. Michael Kobel. „Aber das scheint in Dresden nicht zu gelten.“ Die Ausländerbehörde ignoriere sogar rechtliche Einschätzungen des sächsischen Innenministeriums.
Hintergrund ist der Umgang der Dresdner Ausländerbehörde mit der im Sommer 2016 eingeführten 3+2-Regelung im Integrationsgesetz. Diese sieht vor, abgelehnte Asylbewerber*innen während ihrer dreijährigen Berufsausbildung zu dulden und bei anschließender Beschäftigung ein Aufenthaltsrecht für zwei Jahre zu erteilen. Diesen Weg in den qualifizierten Arbeitsmarkt nutzen in Sachsen bereits hunderte Geflüchtete.
Der 37 Jahre alte Hamid R. könnte dabei allerdings ein neuer Fall der Welcome-Center-Ablehnungskultur in Dresden werden. Er hatte im Juli 2019 seine Ausbildung zum Bäcker erfolgreich abgeschlossen. Sein Lehrbetrieb, ein traditionelles Dresdner Familienunternehmen, stellte ihn ohne Zögern ein. Die Aufenthaltserlaubnis jedoch kam bisher nicht. Stattdessen ließ sich das Welcome Center erst einmal drei Monate Zeit, um sich mit Fragen zur Passbeschaffung zu beschäftigen. Dabei liegt dieses Dokument von Hamid R. der Ausländerbehörde längst vor, was gemäß einem Schreiben des Sächsischen Innenministeriums an die Ausländerbehörde vollauf genügt: „Die Klärung der Identität zum Zeitpunkt der Antragstellung nach §18a AufentHG ist ausreichend, da nach dem Willen des Gesetzgebers eine Ausbildungsduldung grundsätzlich den Zugang zu einer Aufenthaltserlaubnis gewährleisten soll.“
Frustration beim Arbeitgeber
Auch beim Geflüchteten marokkanischer Staatsbürgerschaft Abdennasser H. stellte sich die Dresdner Behörde quer. Der 34-Jährige hatte bereits im Juni 2018 seine Ausbildung als Fachlagerist bestanden und wurde von seinem Ausbildungsbetrieb übernommen. Die Erteilung der Aufenthaltserlaubnis erschien nur eine Formsache. Dann jedoch stellte das Welcome Center Nachfragen nach der Historie des Verlustes der Ausweispapiere, obwohl der Pass bereits wiederbeschafft und in der Ausländerbehörde abgegeben war. SFR-Vorstand Kobel: „Der zuständige Mitarbeiter gab zu verstehen, dass die 3+2-Regelung für solche Fälle aus Marokko nicht gemacht worden sei.“ Erst nach einer Intervention durch das sächsische Innenministerium erhielt Abdennasser H. im Januar 2019 seine Aufenthaltserlaubnis.
Diese Entscheidung wurde jedoch vom Welcome Center umgehend ad absurdum geführt. Nur einen Monat später stellte es Strafanzeige gegen Abdennasser H. wegen „Erschleichung einer Aufenthaltserlaubnis durch in der Vergangenheit vorsätzlich hinausgezögerte Passbeschaffung“. Der Arbeitgeber von Abdennasser H. zeigte sich frustriert: „Wir sind als faires Handelsunternehmen mit einem akuten Arbeitskräftemangel konfrontiert und stecken sehr viel Kraft und Zeit in die Ausbildung der geflüchteten Menschen zu hervorragenden Fachkräften. Wenn diese ausgebildeten Fachkräfte dann nicht als Arbeitskräfte dem Unternehmen zur Verfügung stehen oder noch weitere Steine in den Weg gelegt werden, sind alle Investitionen in den Wind geblasen.“ Gerade gestern, am 4. November, befreite die Staatsanwaltschaft Dresden den Betrieb und seine neue Fachkraft nach neun Monaten von der Last des Strafverfahrens. Es mangele an Tatverdacht. Kobel: „Ein klares Signal, wie haltlos die vom Welcome Center konstruierten Vorwürfe waren. Allein wegen einer beim OVG bereits zugelassenen Berufung gegen das ursprüngliche Asylverfahren bestand ja nicht einmal zum Zeitpunkt der Anzeige eine Pflicht zur Passbeschaffung.“
Ende der Ablehnungskultur!
Nach Auffassung des SFR sendet das Dresdner Welcome Center mit seinem Verhalten in den Fällen Hamid R. und Abdennasser H. fatale Signale an Geflüchtete und Betriebe. Die von der Bundesregierung beabsichtigte Rechtssicherheit wird durch ein solches Vorgehen massiv gefährdet. „Welcher Betrieb wird denn in Zukunft in ähnlichen Fällen Ausbildungsverträge anbieten, wenn er mit solchen Schikanen durch das Welcome Center rechnen muss?“, fragt Kobel. Von der neu zu bildenden Regierungs-Koalition in Sachsen muss daher ein Signal in Richtung der Behörden ausgehen, die dort immer noch weit verbreitete Ablehnungskultur zu beenden und ihre Ermessensspielräume konsequent zum Vorteil aller Beteiligten zu nutzen.