Salata ist kein Salat und andere Einsichten – Der Kochabend in der Adventgemeinde
Jede Woche Donnerstag treffen sich Altlöbtauer, Neulöbtauer und Andere aus Dresden und Umgebung in den ausgebauten Kellerräumen der Adventgemeinde in der Poststraße um gemeinsam zu kochen und zu essen.
Bei diesem gemeinsamen Koch- und Sprachabend wird wird viel geschnippelt, gemischt, gegart, gespielt, gegessen und gelacht. Helfende Hände sind schnell gefunden und die ein oder andere Einsicht in andere Kulturen bietet das Treffen allemal – ob beim Kartoffeln schälen oder am Tisch.
Am Anfang steht die Ruhe. Und der Kicker
Es ist kurz vor sieben Uhr abends, die Räumlichkeiten der Adventgemeinde in Löbtau sind noch überschaubar gefüllt. Hier und da sitzen vereinzelt zwei bis drei Personen, trinken Tee und sehen aus als würden sie auf irgend etwas warten. Andere kickern, zwei weitere spielen Tischtennis, aber alles nur mit halbem Elan, als sparten sie für irgend etwas Energie. Es scheint ruhig.
„Das wird sich noch füllen“, sagt Anke, altgediente Mitorganisatorin des Abends, „in den besten Zeiten hatten wir hier um die 60 Leute. Viele kommen später, zum Kochen, zum Essen, zum Aufräumen“.
Der Koch ist krank – lang lebe der Koch!
Der Verantwortliche für das Kochen heute ist erkrankt. Dennoch hat das Team rund um Anke für Ersatz gesorgt, die Lebensmittel sind soeben eingetroffen und auch einen Ersatzkoch ist bereit:
Ein engagierter junger Syrer mit dichtem schwarzen Bart hat sich vor zwei großen Töpfen in der Küche positioniert. Er gibt lachend Anweisungen, an diejenigen, die in die Küche kommen um zu helfen, aber meistens wird er gefragt, was zu tun ist. Helfer gibt es viele, auch wenn einige nur kurz kommen, ein paar Handschläge tun und wieder zu Tischtennis, Kicker, Tee und Schach zurückkehren.
Aber bei den vielen Händen geht das Kochen auch so schnell voran. Denn tatsächlich tropfen mit der Zeit nach und nach immer mehr Personen in das Zimmer, das Kickern wird schneller, Tischtennis wilder und die Lautstärke nimmt hörbar zu – am Ende sind rund 30 Personen lebhaft im Raum verteilt.
Reis, Kartoffeln, Nudeln – über dem Tellerrand betrachtet kein Problem
„Ja, ja“, sagt Bassam, der engagierte Küchenchef, eifrig nickend auf meine Frage, ob er öfter koche. Stolz holt er sein Handy heraus und zeigt die Fotos verschiedener Gerichte, die er Zuhause zubereitet hat. Er ist gelernter Koch aus Syrien und hat vor seiner Flucht in einem libanesischen Restaurant gearbeitet. Hinter ihm dampft ein großer Topf Reis mit einigen feinen Nudeln gespickt und ein zweiter mit einer Art roten Suppe. Die Hauptzutaten sind Kartoffeln, Tomatenmark, Knoblauch und – hier lächelt Bassam etwas verschmitzt und macht eine Pause, als würde er ein großes Geheimnis verraten – viel Maggi. Der Reis und die Suppe werden später vermischt und vermitteln auf würzige Weise und mit Knoblauchnote, dass Reis, Kartoffeln und Nudeln durchaus Platz im selben Gericht finden können. Keine tiefe, aber eine schmackhafte Erkenntnis.
Salata ist das gesamte Gericht, nicht die Pflanze
An der großen Arbeitsfläche stehen Abulrahman und Suleiman, ebenfalls aus Syrien und mit angegrauten Haaren und wahrscheinlich die ältesten unter allen anwesenden. Sie schnippeln Salat, Gurken, Tomaten und Knoblauch. Ich frage nach einigen arabischen Namen der Gemüsesorten und sage dann die deutschen, die die beiden nickend, lächelnd und bemüht wiederholen. Als als ich dann glaube etwas wiederzuerkennen, werde ich ausgebremst: Nein, die Pflanze heißt nicht Salata, die ich da gerade schneide. Salata ist ausschließlich das Gericht, das gemischte Gericht mit Tomaten Gurken etc. und Soße. Der Kopfsalat? Die heißt schön lautmalerisch „chuss“, wie brechende Salatblätter. Dann ist das gesamte Essen fertig.
Mit einer kleinen Erklärung in die Mahlzeit
Mario macht dann die Ansage, in der es darum geht, auf die Spendendose aufmerksam zu machen, Termine anzukündigen oder einfach dem Koch zu danken. Natürlich mit simultaner Übersetzung. Alle hören zu und nicken, die Stimmung ist freundlich. Dann gehen alle grüppchenweise zur Essensausgabe und verteilen sich im Raum. Aber es ist kein steifes am Tisch sitzen, da ist Bewegung, viele laufen mit ihrem Teller von Gespräch zu Gespräch, von altem Bekannten zu neuem Bekannten.
„Ich habe eigentlich nichts mit der Flüchtlingshilfe zu tun – und auch nicht mit der Kirche“ sagt Mario später, als wir nebeneinander essen. Er ist ein Mittvierziger aus Leutewitz, der sich sichtlich wohl in der Menge fühlt und vielen bekannt ist. Er ist aber auch schon einer der „Alten“, wie er sagt. Er ist seit Dezember 2015 dabei und versucht so oft wie möglich zu kommen. Trotz vieler beruflicher Termine unter der Woche in Süddeutschland.
Die Bewegung bleibt – die gute Stimmung auch
Seit dem haben schon viele Geflüchtete in den gemütlich ausgebauten Kellerräumen gesessen, gegessen, gekocht und gelacht. Freundschaften sind untereinander entstanden, aber auch Menschen völlig von der Bildfläche verschwunden, Menschen, von denen keiner mehr weiß wo sie eigentlich hin sind: Weggezogen? Weitergereist? Abgeschoben? – Für so ernste Themen scheint dieser Abend jedoch keine Plattform. Die unzähligen Gesichter, von denen jedes einzelne eine eigene, hörenswerte Geschichte zu erzählen hätte, sind zu ausgelassen, um diese Geschichten tatsächlich zu erzählen – oder nach ihnen gefragt zu werden.
Das nächste Treffen der Kochgruppe findet am 10. November um 18:30 Uhr in der Adventgemeinde, Poststraße 13, statt. Gegessen wird dann allerdings mit Feuer im Garten der Emil-Ueberall-Str. 6